Im Laufe der Jahre haben wir gelernt, dass es zwei Arten von Dingen gibt, die in einem Unternehmen verbleiben müssen: jene, die Wert schaffen – und jene, die den Wert schützen. Das Minimum an Liquidität gehört unweigerlich zur zweiten Kategorie.
Wenn ein Unternehmen verkauft wird, wird sein Wert meist als Enterprise Value berechnet– der Wert des operativen Geschäfts vor Abzug von Schulden und vor Hinzurechnung überschüssiger Barmittel. Es ist der Wert dessen, was das Unternehmen tut, nicht dessen, was es auf dem Konto hat.
Um den Eigenkapitalwert zu bestimmen, gilt folgende einfache Formel:
Equity Value = Enterprise Value – Finanzverbindlichkeiten + überschüssige liquide Mittel
Eine Zeile dieser Formel führt immer wieder zu Irritationen: Warum wird nur überschüssiges Cash angerechnet – aber nicht das sogenannte Minimum Cash, also jene Liquidität, die im Unternehmen verbleiben muss?
Die Antwort ist simpel: Minimum Cash ist kein Vermögenswert, der verkauft werden kann.
Es ist ein Betriebsstoff.
Warum Minimum Cash im Unternehmen bleibt
Jedes Unternehmen benötigt eine Basisreserve an Liquidität, um zuverlässig zu funktionieren –typischerweise die Fixkosten von etwa drei Monaten.
Diese Liquidität ist nicht zur freien Verfügung. Sie erfüllt dieselbe Rolle wie:
- Oel im Motor
- Kühlmittel in einer Maschine
- Bargeld in einer Ladenkasse, bevor der erste Kunde kommt
Der Zweck ist nicht Rendite – der Zweck ist Funktionsfähigkeit.
Ohne Mindestliquidität würden selbst hervorragende Unternehmen ins Straucheln geraten. Löhne müssten bezahlt werden, Lieferanten wollen Geld sehen, und der Alltag eines Unternehmens hält sich selten an die Geschwindigkeit von Debitoren.
Ein Käufererwartet also nicht, dass er ein „leeres Gefäß“ übernimmt, das er erst füllen muss. Er übernimmt ein funktionsfähiges Unternehmen – inklusive derLiquidität, die den täglichen Betrieb ermöglicht.
Warum Minimum Cash nicht gesondert vergütet wird
In der Bewertung(Enterprise Value) ist das Minimum Cash bereits implizit enthalten. Es handelt sich nicht um einen „Extra-Wert“, sondern um die notwendige Voraussetzung für das, was überhaupt bewertet wird: ein laufendes Geschäft.
Ich habe es oft so erklärt: „Ein Auto ohne Motoröl und Benzin ist technisch gesehen ein Auto -aber niemand würde dafür den vollen Preis zahlen, wenn er damit nicht vom Hoffahren kann.“
Genauso ist Minimum Cash kein Bonusbestandteil. Es ist ein Bestandteil der Maschine selbst.
Der Käufer zahlt für ein funktionierendes Unternehmen. Und ein funktionierendes Unternehmen braucht Liquidität, um zu funktionieren.
Was überschüssiges Cash unterscheidet
Nur Barmitteloberhalb des Minimums werden als wertsteigernd betrachtet. Warum?
Weil sie – anders als die Grundreserve – frei verfügbar sind und:
- ausgeschüttet,
- investiert
- oder zur Schuldentilgung genutzt werden können.
Überschüssiges Cash ist wirtschaftlich verwertbar. Minimum Cash ist betriebsnotwendig.
Diese Unterscheidung ist kein Trick, sondern Ausdruck derselben Logik, die jedes wertorientierte Denken durchzieht:
„Wert entsteht durch das, was übrig bleibt, nachdem alles Notwendige bezahlt wurde.“
Fazit
Minimum Cash ist nicht etwas, das ein Käufer kauft – es ist etwas, das er übernimmt, weil das Unternehmen ohne diese Reserve nicht stabil laufen könnte.
Man vergütet nicht die Flüssigkeit im Motor, sondern die Fähigkeit des Motors, das Autovoranzutreiben. Genauso vergütet man nicht das Minimum Cash, sondern die Ertragskraft, die es erst ermöglicht.
Es ist ein stiller, aber unverzichtbarer Bestandteil des Unternehmens - und gerade deshalb kein zusätzlicher Wertposten, sondern ein notwendiger.








